zumindest nicht, wenn man eine Seife ist.
Manchmal liest man auf einer Seifenverpackung Begriffe wie „xx % überfettet“ oder „extra hoch überfettet“. Oder sogar „rückfettend“. Wenn man mit der Materie und den Begrifflichkeiten nicht so vertraut ist, dann fragt man sich „aha. Überfettet?“. Oder sogar „wie, bitteschön soll denn ein Reinigungsprodukt RÜCKFETTEN?“
Eigentlich ist „überfetten“ im chemischen Sinn nicht korrekt. Eine echte „Überfettung“ meint, dass Öle bzw. Fette nach der Verseifung auch als solche vorliegen. Das passiert aber nur, wenn ich eine Heissverseifung mache, wo nach der Verseifung unter Hitzeeinwirkung in die noch nicht ausgehärtete Seife ein Extra-Fett oder Öl zugegeben wird. Dieses wird dann nicht mehr verbraucht, weil keine Lauge mehr frei ist. Egal, was man Ihnen erzählt – man kann nur durch diese Methode gezielt ein ausgewähltes Öl als Überfettungsöl festlegen. Alles, was mit der Lauge direkt in Kontakt kommt, wird von dieser erst mal wahllos im Stücke gebissen und dann „gefressen“. Meine Fantasie schlägt da ganz oft Purzelbäume, aber so macht Chemie am meisten Spass.
Was ist denn dann nun korrekt? Lassen Sie uns dazu ein bisschen in die Schulzeit zurückreisen. Ich persönlich kann mich zwar nicht erinnern, dass wir im Chemieunterricht Seife gemacht hätten, aber vielleicht war das ja bei Ihnen anders.
Eine Seife entsteht „durch die Hydrolyse eines Esters durch die wässrige Lösung eines Hydroxids, wie z. B. durch Natriumhydroxid...“
Klingt wichtig, nicht wahr? Lernen Sie den Satz auswendig. Sie werden der Star der nächsten Cocktailparty sein! (Falls nicht, empfehle ich „Wussten Sie, dass die Synovialflüssigkeit der Gelenke thixotrop ist?“ hinterherzuschieben. Aber ich schweife ab).
Bei der Verseifung spaltet die Natronlauge, das in Wasser gelöste Natriumhydroxid, die Fettsäuren, aus denen Öle und Fette bestehen, auf und die einzelnen Moleküle finden in veränderter Form zueinander und bilden unter Abscheidung von Glycerin, Natriumsalze der Fettsäuren.
Wenn nun Lauge und Fette sich sozusagen gegenseitig binden und nichts mehr übrig bleibt, dann hat man eine Seife, in der keine freien Fettsäuren mehr vorhanden sind.
Hat man – und so machen wir das, wenn wir Seife herstellen, einen „Sicherheitspuffer“ eingebaut, verwendet man weniger Lauge bzw mehr Fette als von der Lauge verbraucht werden. Hier ist es dann so, dass in der fertigen Seife keine Öle oder Fette in der Ursprungsform mehr vorliegen, sondern eben die einzelnen „Fettsäureschnipsel“, die die Lauge vorher zerhackt hat, und die dann leider kein Natrium-Molekül mehr gefunden haben. Ist ein bisschen wie „die Reise nach Jerusalem“, nur ohne Stühle.
Ergo – bei im Kaltverfahren hergestellten Seifen ist der fachlich korrekte Begriff für „Überfettung“ „Unterlaugung“ bzw. Laugenunterschuss. Ich persönlich finde „Unterschuss“ sehr verwirrend. Jeder weiss, was ein Überschuss ist, und das Gegenteil davon wäre ein Mangel. Aber Laugenmangel klingt als ob was fehlen würde, was es ja auch tut, aber eben mit Absicht.
Und weil wir nicht päpstlicher sein wollen als der Papst, ist es im allgemeinen Sprachgebrauch üblich und auch ok, von Überfettung zu sprechen, wenn es darum geht, wie gross der Anteil an nicht vollständig verseiften Fettsäuren in einer Seife ist. „Rückfettend“ ist aber definitiv Mumpitz. Das kann ein Reinigungsprodukt nicht. Das kann nur eine Creme oder Pflegelotion.
Warum es sinnvoll ist, eine Seife nicht mit 0% Überfettung herzustellen, und wie sich das beim Waschen auf die Haut auswirkt, habe ich in diesem Beitrag beschrieben.