Wie oft lesen wir bei der blumigen Beschreibung einer zur Freude von Umwelt, Ihnen und natürlich mir wieder in Mode gekommenen klassischen alkalischen Seife „pflegend und rückfettend“?
Und wie oft haben Sie, der geneigte und interessierte Leser, sich gefragt „wie kann das sein? Ein reinigendes (ergo entfettendes) Produkt, das aufgrund seiner Bipolarität in der Lage ist, Wasser und Fett (ergo Dreck) zu verbinden und auf Nimmerwiedersehen im Gully verschwinden zu lassen, soll pflegen? Wie eine gute Creme oder Lotion gar? Sapperlot. Welch Tausendsassa! Mehr davon, bitte!“
Ich muss Sie herb enttäuschen. Seife kann nicht „pflegen“. Nicht im Sinne, der landläufig dem Wort beigemessen wird. Der Duden schreibt zu einer von vier Bedeutungen des Wortes „zur Erhaltung eines guten Zustands mit den erforderlichen Maßnahmen behandeln“. Welch schwammige Definition, verbinden wir doch zumeist mit dem Begriff eher Handlungen wie Eincremen, auf dass unsere vergängliche Hülle lange geschmeidig und faltenfrei bleibe (was übrigens ohne genug Zufuhr von Flüssigkeit und einer vernünftigen Portion Unterhautfettgewebe auf Dauer auch nix nutzt).
Oft liest man auch „stark rückfettend“. Auch das ist eher in den Bereich des Marketingmythos zu verweisen. Auch das kann eine Seife nicht.
Seife reinigt. Sie strafft die Haut nicht. Sie ist nicht desinfizierend oder gar antibakteriell, ihre Wirkweise ist anders. Seife fördert weder Durchblutung noch Haarwachstum. Seife ist nicht für jeden Bereich des menschlichen Körpers die erste Wahl als Reinigungsprodukt. Seife verändert immer für eine gewisse Zeitspanne den pH Wert der Hautoberfläche. Der ist normalerweise im leicht sauren Bereich und wird durch das Benutzen von alkalischer Seife leicht nach oben in den basischen Bereich verschoben. Eine gesunde, intakte Haut korrigiert das innerhalb kurzer Zeit. (Man kann sich diesen Quelleffekt auch zunutze machen, indem man nach der Benutzung eines alkalischen Reinigungsprodukt eine gute Pflege aufträgt, die dann durch die leicht geöffnete Hornschicht besser in die oberen Hautschichten eindringen kann.)
Seife kann, wenn sie nach einem gut komponierten Rezept hergestellt wurde, mild reinigen ohne die Haut zu sehr auszutrocknen. Das können wir bei der Herstellung signifikant beeinflussen. Wie machen wir das?
Wir als Seifenmacher nutzen zwei Prozesse für die Herstellung – Kaltverseifung und Heissverseifung.
Bei der Kaltverseifung werden verschiedene Öle in (wünschenswerterweise) harmonischer Kombination mit einer exakt berechneten Menge an Natronlauge (ergibt harte Stückseife) oder auch Kaliumlauge (ergibt Schmier- bzw. Flüssigseife) emulgiert, ggfs. mit Duft und Farbe angereichert und dann in Formen gefüllt, bis zu 72 Stunden stehen gelassen, damit die Verseifungsreaktion die Lauge ihren Job tun lässt. Lauge hasst Arbeiten unter Zeitdruck. Sie mupfelt gerne gemütlich vor sich hin, macht es sich dabei hübsch warm und am Ende kommt ein tolles Produkt dabei raus.
Bei der Heissverseifung passiert ähnliches, allerdings macht man hier dem Lauge-Öl-Gemisch im wörtlichen Sinne Dampf unter dem glibbrigen Hintern. Verschiedene Varianten sind hier Usus. Man kann sie, wenn man Gefahr liebt, auf der Herdplatte im Kochtopf machen. Ein irrer Spass, wenn es spontan überhitzt und der ätzende Seifenleim durch die Küche fliegt. Manche stellen sie in den Backofen oder in die Mikrowelle – ich persönlich bevorzuge den Schongarer, den Crock Pot, wie man ihn auf English nennt. Das dauert zwar etwas länger, aber man hat die einzelnen Stufen gut im Blick und im Griff.
„Warum erzählt sie das jetzt ? Was hat das mit allem zu tun? Ich bin verwirrt!“
Keine Sorge. Hier schliesse ich gleich wieder den Bogen.
Bei beiden Prozessen verwenden wir mehr Öle und Fette, als von der Natronlauge komplett verseift werden. Das hat einerseits Sicherheitsgründe – eine sogenannte „scharfe“, also mit zuviel Lauge gemachte Seife, ist extrem aggressiv und schädlich für die Haut. Der zweite Grund ist, dass wir mit diesem klugen Schachzug dafür sorgen, dass in der Seife immer noch eine Handvoll freie, von der Lauge im Prozess der Verseifung aufgespaltene Fettsäureschnipsel vorliegen. Diese werden sozusagen beim Waschen im Seifenschaum diesem zuerst zum Frass vorgeworfen, bevor er anfängt, das Hautfett rauszulösen.
Bei der Kaltverseifung werden alle Fette und Öle zum Zeitpunkt 0 mit der Lauge emulgiert und zum Zeitpunkt 0 + 24 (oder länger) ist die Seife fertig. Die Lauge hat sich nach einem irrationalen Schema durch die Öle gepflügt. Es gibt wohl schneller und langsamer reagierende Fette (reines Kokosöl z.B. verseift in Blitzgeschwindigkeit komplett, während bei der Verseifung von 100% Olivenöl das Lesen des Klassikers „Die Entdeckung der Langsamkeit“ angeraten ist). Am Ende hat man aber eine für das menschliche Auge homogen erscheinende feste Masse an – Seife. Man kann bei dieser Methode definitiv nicht beeinflussen, welches Öl am Ende die sogenannte „Überfettung“ darstellt. Vielmehr ist es eine Melange aus verschiedenen Fettsäureschnipseln, die, als die Lauge „wer hat noch nicht“ rief, bescheiden in die letzte Reihe zurückgetreten sind.
Anders bei der Heissverseifung. Hier sorgen wir durch externe Zufuhr von Wärme unter Rühren dafür, dass die Verseifungsreaktion in einem Bruchteil der Zeit vonstatten geht, der für die durch uns ungestörte Kaltverseifung benötigt wird. Der krönende Abschluss einer Heissverseifung ist das Unterheben eines weiteren Überfettungsöls oder -fettes. Dieses bleibt dann, weil es unter den noch viskosen, nicht erstarrten, heissen, aber schon komplett saponifizierten Seifenleim gerührt wird, auch als komplettes Öl / Fett in der Seife enthalten, sobald sie ausgeformt und / oder geschnitten ist.
Heissverseifung ist also das Mittel der Wahl, wenn man plant, ein hochwertiges Öl oder Fett zur echten Überfettung zu verwenden (siehe auch meine Abhandlung über sinnvolle Zusätze in Seife)
Alles andere ist Mumpitz. Wenn Ihnen also jemand erklärt, seine / ihre Seife sei extrem pflegen oder sogar rückfettend, stellen Sie ihm/ihr doch die ketzerische Frage nach dem Herstellungsprozess. Eine gute Siedeperson (geschlechergerecht ausgedrückt) wird Ihnen darauf vollumfänglich Rede und Antwort stehen können.