Wer kennt nicht den uralten Witz, wo der Metzgerlehrling beim Anblick der Leberwurst zu seinem Meister sagt „Chef – wenn rauskommt, was da reinkommt, dann kommen Sie rein und nie wieder raus“.
Zugeben, der Witz ist echt alt und dank strenger Lebensmittelkontrollen (muhaha, der war gut, gell?) gibt es in Deutschland keine Gammelfleisch– oder Schimmelsalatskandale mehr. Über die Kontrollmechanismen und die gesetzlichen Voraussetzungen zur gewerblichen Seifen- und Kosmetikherstellung habe ich ja schon ein bisschen geplaudert.
Sie können daher prinzipiell davon ausgehen, dass eine Seife oder ein anderes Kosmetikprodukt, das Sie von jemandem erwerben, der/die sich diesen gesetzlichen Vorschriften vollumfänglich unterwirft (den Satz hab ich beim Notar aufgeschnappt und fand ihn gut), „bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung für die menschliche Gesundheit sicher“ ist. So drückt es die EU-VO 1223 aus, die Bibel eines jeden, der Kosmetika herstellt.
Der vom Hersteller beauftragte Sicherheitsbewerter prüft allerdings lediglich, ob die in dem Produkt zur Verwendung gedachten Inhaltsstoffe sicher und unschädlich sind. Er / Sie prüft nicht, ob die Rezeptur ein schönes Produkt ergibt. Und schon gar nicht legt er/ sie die Hand dafür in’s Feuer, dass die von vielen Herstellern blumig ausgelobten Eigenschaften auch so zutreffen.
Es lohnt sich sehr, beim Lesen von Etiketten und Anzeigen ein bisschen nachzudenken und sich zu fragen „Kann das funktionieren?“
Bleiben wir mal der Einfachheit halber bei Seife. Seife entsteht, wie ich hier schon erläutert habe, durch das Zusammenspiel einer starken Lauge mit Fetten, die durch die Lauge in ihre Fettsäureschnipsel unter Abspaltung eines Fettalkohols, dem Glyzerin, gespalten wird. Die Natriumsalze der Lauge (meistens benutzt man Natriumhydroxid für die Natronlauge) verbinden sich dann mit dem verführerisch wedelnden Fettsäureschwänzchen und gemeinsam erstarren sie zu Seife. Alles, was in den sogenannten Seifennleim gerührt wird, kommt in Kontakt mit dieser Lauge.
Mit Hilfe von Lauge entledigen sich mexikanische Drogenkartelle ihrer überschüssigen Leichen. Mit Lauge machen wir mit unappetitlichen Substanzen verstopfte Rohre wieder gangbar, und mit Lauge kann man Glas ätzen und klebrige Bienenstockrähmchen wieder sauber kriegen. Lauge ist also ein recht potentes und aggressives Produkt, das auf Haut und Augen schrecklichen Schaden anrichten kann. Und ausgerechnet Lauge soll dann respektvoll vor einem Kräutlein anhalten und sagen „oh, entschuldigung, ich mach mal woanders weiter“! ?
Mit Verlaub, das ist Blödsinn.
Genauso wenig, wie eine Seife „pflegt“ wie man das immer wieder liest, haben zerkleinerte Kräuter oder sonstige Pflanzenextrakte nach dem Zusammentreffen mit dem Seifenleim noch irgenwelche kosmetisch oder gar gesundheitlich relevanten Eigenschaften. Auch sind die schwammigen Aussagen über die Eigenschaften der in der jeweiligen Seife verwendeten Öle rechtlich eine sehr dunkle Grauzone, wenn man nicht mit der EU-VO 655 in Konflikt geraten will. Diese regelt nämlich ziemlich unzweideutig, dass „Werbeaussagen, die sich auf die Eigenschaften eines bestimmten Bestandteils beziehen, nicht den Eindruck erwecken dürfen, dass das Endprodukt dieselben Eigenschaften hat, wenn dies nicht der Fall ist.“
Nun lese ich zu meinem grossen Amüsement immer wieder von fantasievollen Zusätzen, die in handgemachte Seife eingerührt werden. Und deren Eigenschaften, die sie vor dem Kontakt mit der Lauge sicherlich haben, auch als nach der Verseifung vorhanden seiend beworben werden. Kräuter sind so ein tolles Beispiel.
Es finden sich Texte (die ich hier nicht wortwörtlich wiedergebe, weil man die sonst googeln kann und dann krieg ich Ärger), die beispielsweise behaupten, „Brennessel sei reich an Vitamin C und Magnesium, enthalten hautstraffendes Kollagen und die in der Seife enthaltene Sheabutter pflegt die Haut und spendet Feuchtigkeit“.
Einmal verseift, ist die verätzte Brennessel in der Seife eben nicht mehr reich an Vitamin C und Magnesium, und das darin enthaltene Kollagen (das war mir sowieso neu) ist auch in der Seife nicht mehr hautstraffend. Kollagen ist eine Eiweissverbindung, die wird von der Lauge komplett weggefressen. Wie bitteschön soll ein Produkt, das 20 Sekunden auf der Haut verbleibt, diese straffen? Kein Öl der Welt, auch nicht in Seife verwendete Sheabutter, pflegt die Haut noch oder spendet gar Feuchtigkeit, wenn es durch die Lauge in seine Bestandteile zerlegt wurde.
Ganz wild wird es, wenn von „antiseptisch und durchblutungsfördernden“ ätherischen Ölen gesprochen wird. Wir reden hier von einer Menge von maximal 3% eines ätherischen Öls, oft auch noch viel weniger, das auf 1000 g Fettmenge kommt. Das sind 30 Gramm. Diese 30 Gramm durchlaufen dann die Verseifung, die oft mit relativ hoher Temperatur einhergeht (da können locker die 80° erreicht werden). Anschliessend wird die Seife geschnitten und – wenn’s eine gute werden soll – 6 Wochen zum Reifen liegen gelassen, damit sie Wasser abdunstet und sich innerlich noch mal festigt.
Beim Waschgang dann hat man vielleicht 3 Gramm Seife verschäumt, das wiederum vielleicht noch 0,05 Gramm des ätherischen Öls enthält. Der Schaum mit diesen Grämmchen an Ölen bedeckt eine Oberfläche variablen Ausmasses. Hand ist kleiner als Kopf und kleiner als Körper. Die Wirkung eines dann noch in Spuren vorhandenen ätherischen Öls ist dann eher aromatherapeutisch, aber nie wirklich im dermatologisch-physischen Sinn zu sehen.
Sie verstehen, worauf ich hinaus will?
Es gibt Inhaltsstoffe, die wir Seifensieder verwenden, die sich direkt auf die Optik und die Haptik und nicht zuletzt auf Duft und Schaumverhalten des fertigen Produktes auswirken. Eine reine Olivenölseife wird nie schön und grossblasig schäumen, weil das die Fettsäurestruktur des Olivenöls nicht erlaubt. Kokosöl wiederum schäumt wie Wolke, daher wird es auch gerne als eins von drei schaumgebenden Fetten eingesetzt (neben Babassu- und Palmkernöl). Eine tolle Seife braucht keine exotischen (im Sinne von aussergewöhnlichen, nicht im Sinne von „kommt von weit her“) Zutaten. Sie können mit Rindertalg und Raps ein durchaus gebrauchsfähiges Produkt herstellen.
Wenn teure Luxusöle wie Arganöl, wo der Liter bei Edeka schon 50 EUR kostet, in der Seife verwendet werden, fragen Sie gerne nach, wieviel davon drin ist und ob die Seife kalt- oder heissverseift ist. Und ob im letzteren Fall das Arganöl nach der Verseifung zugesetzt wurde. Wie oben bereits erwähnt – Lauge ist ein respektloser Bursche, dem ist es völlig egal, ob sie billiges Kokosöl verseift oder teures Argan. Selbst wenn nur 50 g Arganöl in der Seife sind, muss es auf dem Etikett stehen. „Label appeal“ sagen die Engländer dazu, also soviel wie „liest sich gut“.
Seife reinigt. Sie strafft die Haut nicht. Sie ist nicht desinfizierend oder gar antibakteriell, ihre Wirkweise ist anders. Seife fördert weder Durchblutung noch Haarwachstum. Seife ist nicht für jeden Bereich des menschlichen Körpers die erste Wahl als Reinigungsprodukt. Aber wenn bei der Rezepturentwicklung und bei der Herstellung mit Sachverstand und Überlegung gearbeitet wird, kann das daraus resultierende Endprodukt eine Bereicherung bei den täglichen Reinigungsritualen sein.